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Kabinett der schönen Frauen
MAKURA NO HANASHI – BETTGEFLÜSTER AUF JAPANISCH
DAS KABINETT DER SCHÖNEN FRAUEN UND SHUNGAS IM STUDIO 57A
ABTART STUDIO57A zeigt ab dem 05. Mai 2017 japanische Farbholzschnitte kuratiert von Hannspeter Kunz. Die ausgewählten Farbholzschnitte zeigen reizende und zugleich pikante Sujets: Bijinga, Geishas, Kurtisanen und Shungas. Die Schau für neugierige Entdecker ist bis Juni 2017 zu sehen.
Der japanische Farbholzschnitt, auch ukiyo-e genannt, ist eine Kunstform, die nach der Öffnung Japans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die westliche Welt nachhaltig beeindruckte. Besondere Stilmittel dieser Druckgrafik sind die Betonung von Linie und Fläche, der Verzicht auf Licht- und Schatteneffekte sowie der Zentralperspektive, zugunsten der Parallelund der Vogelperspektive. Statt eine Illusion von Wirklichkeit zu erzeugen, konzentriert sich die asiatische Kunst auf das Wesen des Darzustellenden. Ukiyo-e (»Bilder einer fließenden, vergänglichen Welt«) erfreuten sich insbesondere im Japan der Edo-Zeit von 1603 bis 1868 und deren 250 Jahre andauernden Friedenperiode großer Beliebtheit. Edo (heute Tokio) war Sitz der Militärregierung mit dem Shogun als oberstem Machthaber.
Das aufstrebende Bürgertum jener Zeit befeuerte die Entstehung dieser neuen populären Kunst, welche den Lebensstil und die Selbstdarstellung der Bewohner von Edo wiederspiegelte. Mit ukiyo-e setzte sich erstmals in der japanischen Geschichte eine Kunstform durch, die nicht dem Adel sondern dem Volk vorbehalten war. Aus diesem Grund waren die Motive von den Bedürfnissen, Interessen und der Alltagskultur des Bürgertums geprägt. Das heißt, obwohl handwerklich äußerst anspruchsvoll, waren japanische Farbholzschnitte kommerzielle Produkte, die für einen großen Markt hergestellt wurden. Beispielsweise fungierten sie als Werbung für das Kabuki-Theater oder für das Freudenhausviertel Yoshiwara. Landschaftsund Stadtansichten wiederum dienten Reisenden als Souvenir. Blätter, welche sich dem schönen Geschlecht widmeten, wurden unter dem Begriff Bijinga (»Bilder von schönen Frauen«) zusammengefasst. Abgebildet wurden vornehmlich die berühmten Kurtisanen der ‚Grünen Häuser’ des Yoshiwara-Viertels, aber auch Geishas und junge Frauen, die das momentane modische Schönheitsideal verkörperten.
Eine Geisha musste besondere Fähigkeiten in den Künsten der Unterhaltung (Gesang, Tanz, Koto- und Shamisen-Spiel) vorweisen können. Im Vergleich zu Prostituierten waren Kleidung und Haarschmuck der Geisha schlichter, außerdem spielte Erotik bei ihrer Unterhaltung keine Rolle. Im Gegensatz zu Geishas boten Kurtisanen käufliche Liebe an. Trotzdem waren sie gesellschaftlich hoch angesehen und wurden mit viel Respekt behandelt. Denn sie waren nicht nur schön, sie verfügten auch über eine gute Allgemeinbildung, Manieren und Anmut. Im Gegensatz zu anderen Frauen und Geishas trugen Kurtisanen ihren obi, den breiten Gürtel, mit dem der Kimono zusammengehalten wird, vorn gebunden, da sie schneller die komplizierte Kleidung ablegen mussten.
Eine besondere Gattung von Blättern, in denen schöne Frauen eine entscheidende Rolle spielen, sind sogenannte Frühlings- oder Kopfkissenbilder (shunga). Shunga bedeutet Frühling und ist ein beschönigender Ausdruck für sexuelles Liebespiel. Die Shunga zeigen mal augenfälliger, mal zwischen der Ornamentik der Gewänder versteckt, ästhetisch-erotische Szenen. Erklärungsansätze für die Popularität der Shunga während der Edo-Zeit sind vielfältig. Ein naheliegender ist wohl die Stationierung des Schwertadels (samurai) mit einem großen Verwaltungsapparat, wodurch der Wohlstand der Bevölkerung Edos wuchs und die überdurchschnittlich vielen Männer ihrem Vergnügungsinteresse folgten.
Die Qualität der Farbholzschnitte ist nicht ausschließlich das Verdienst des Künstlers, dessen Signatur auf dem Blatt erscheint. Buchstäblich die Hand mit im Spiel hatten die Holzschneider und der Drucker. Erst das Zusammenspiel aller Beteiligten sicherte das hohe Niveau der Blätter. Farbige Holzschnitte benötigen in der Regel zehn manchmal aber auch mehr Druckvorgänge, wobei für jede Farbe ein gesonderter Druckstock geschnitten wird. Der Wert eines japanischen Farbholzschnitts hängt demnach von der Virtuosität und Prominenz des Künstlers und der Höhe der Auflage, die sich nach der Absatzmenge auf dem Markt richtet, ab. Man geht davon aus, dass in den späten 1840er- und frühen 1850er-Jahren erfolgreiche Darstellungen 7.000 bis 8.000 Mal verkauft wurden.