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Schilderwald.
Künstlerische Intervention in der Ausstellung Klaus
Staeck. Wiedervorlage
Mit Arbeiten von Sebastian Rogler
Text: Argiro Mavromatis M.A.
Warnschilder, Hinweisschilder, Aushänge und Schilder
mit dem Verweis auf neue Öffnungszeiten, eingeschränkte
Speisekarten oder Angaben zur zugelassenen Anzahl von Personen
pro Ladenlokal. Das Schild und seine Signalkraft haben in
Zeiten einer Pandemie Konjunktur.
Auch im musealen Bereich steht der Begriff Schilderwald
für eine Überfrachtung des Besuchers mit Texttafeln,
Objektschildern, Wandtexten und Zitaten. Die eigentliche
Aufgabe eines Schilds, einen Sachverhalt zu kennzeichnen
und für mehr Klarheit zu sorgen, ist bei einer inflationären
Verwendung von Schildern nicht mehr gegeben. Im Gegenteil!
Schilder sorgen in zu großer Anzahl oder auch missverständlicher
Gestaltung eher für Verwirrung. Am Ende führt
das dazu, dass ihnen keiner mehr Beachtung schenken will.
Genau wie Schilder haben sich auch Plakate zu einer Kommunikationsform entwickelt, die im öffentlichen Raum von Behörden, aber auch von Firmen zur Vermarktung ihrer Produkte genutzt werden. Politische Gruppierungen nutzen das demokratische Medium des Plakats oder des simpel produzierten Schildes, um plakativ ihre Meinung kundzutun. Besonders Künstler nutzen Schilder und Plakate seit dem frühen 20. Jahrhundert als künstlerische Interventionen, also als kritische Eingriffe in bestehende Ordnungen. Sie bedienen sich Symbolen und Zeichen, um etablierte Repräsentationsformen in Frage zu stellen und greifen mit diesen künstlerischen Mitteln in politische und gesellschaftliche Strukturen ein.
Klaus Staeck wandte sich bereits Ende der 1960er Jahre dem Plakat und der Postkarte als vervielfältigbare Medien zur Verbreitung von Meinungen und Ideen zu. Seitdem wurden über 300 Postkarten- und Plakatmotive produziert und das politische Staeck-Plakat avancierte zum festen Begriff. Zur Bundestagswahl 1972 wurde sein ironisch-politisches Plakat Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen veröffentlicht. Es wurde zu einem seiner bekanntesten Motive und erreichte eine Druckauflage von 75.000 Exemplaren. Mehr als 40 Mal wurde er wegen seiner Plakatkunst verklagt. Mit Gründung des Produzentenverlags Edition Tangente im Jahr 1965, später Edition Staeck, schuf er außerdem eine Plattform für Künstler, die mit ihren Arbeiten im gesellschaftspolitischen Kontext Position beziehen wollten; darunter Joseph Beuys, Sigmar Polke und Hanne Darboven.
Die Emailleschilder von Sebastian Rogler nutzen das Mittel der Ironie und stellen mit kurzen minimalistischen Phrasen den Sinn und die Aussagekraft eines Schildes in Frage. Rogler studierte freie Grafik und Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Peter Grau und Wolfgang Gäfgen. Typografie und Buchgestaltung spielen in seinen Arbeiten eine zentrale Rolle. Die Serie Übergangshelfer zeigt poetische Kombination aus historisch entrückter Materialität und pointierten Verweisen auf brisante brandaktuelle Themen aus dem gesellschaftspolitischen Kontext. Verklärte Poesiealbumästhetik trifft auf anonymen Drohbrief. Wesentlich reduzierter als seine Collagen knüpfen die Emailleschilder an den ironischen und irritierenden Umgang mit Schrift und Sprache an. Die Vieldeutigkeit verlangt, über den Inhalt nachzudenken und die Formulierung ich bin eben so auf der Schilderedition Nr. 11 klingt nur kurz selbstbewusst und rebellisch, ist es doch gleichzeitig auch sehr bequem und auf den zweiten Blick vielleicht auch eine faule Ausrede.
Die Arbeiten von Sebastian Rogler greifen in der Galerie ABTART als künstlerische Intervention in die bereits bestehende Ausstellung Klaus Staeck. Wiedervorlage ein. Die handgefertigen Emailleschilder und Materialcollagen von Rogler bedienen sich auf ähnliche Weise wie die Plakatkunst Staecks den Mitteln der Ironie und irritieren den Betrachter. Im Dialog zeigen die Arbeiten von Klaus Staeck und Sebastian Rogler, dass Ironie politisch ist, weil sie einen Status quo hinterfragt. Die Arbeiten laden ebenfalls dazu ein, den Inhalt von Schildern und Aushängen und damit unsere Sehgewohnheiten kritisch zu hinterfragen, um keine falschen Wertungen vorzunehmen und nicht allein vor einer autoritären Wirkung halt zu machen